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Der weite Weg zum seriellen Bauen.

Kommentar von Andreas Kreutzer im BAU&TEC FOKUS

[01.09.2021 | WIEN] In den letzten zwei Jahrzehnten ist ein höherer Anteil an „Vorfertigung“ zu einer Art Heilsversprechen geworden, wenn nach Lösungen gesucht wurde gegen rasch anziehende Baupreise und knappe Personalkapazitäten am Bau. Dabei werden mittlerweile bereits rund drei Viertel aller Mehrfamilienhäuser mit Betonfertigteilen errichtet, weitere vier Prozent mit vorgefertigten Holzbaumodulen. Im kleinvolumigen Wohnbau sind gut ein Viertel aller Neuerrichtungen Fertigteilhäuser.

Trotz dieser bereits beachtlichen Quote hat sich der Anteil der Wertschöpfung der direkt auf den Baustellen erbracht wird, jedoch nur vergleichsweise wenig verringert. Denn in der Regel handelt es sich bei den verwendeten Betonfertigteilen lediglich um Rohwände mit Installationskanälen. Bereits eingebaute Fenster gibt es zumeist nur im Holzbau. Die Fassade wird nahezu in allen Fällen unabhängig von der Bauweise auf der Baustelle ausgeführt, weil das bei den omnipräsenten WDVS-Putzfassaden irgendwie anders nicht möglich ist und vorgehängte, hinterlüftete Fassaden im Wohnbau eher selten anzufinden sind. Dazu kommt, dass im TGA- und Ausbaubereich Vorfertigung nur in Spurenelementen vorhanden ist, etwa bei Verwendung von Installationsboxen. Alles in allem liegen daher nach wie vor 87 Prozent der Wertschöpfung auf der Baustelle. Zu viel, um den Nutzen aus „Vorfertigung“ in den Kalkulationen auch wirklich zu spüren.

Einen neuen Ansatz sehen deshalb einige in der selektiven Verwendung von seriell gefertigten Raummodulen, etwa voll ausgestatten Küchen- oder Badzellen oder Fertigbalkonen. In der Praxis stehen aber auch der modularen Bauweise planerische und logistische Hürden im Weg, es sei denn, das Gebäudekonzept ist auf ein Modulgebäude ausgerichtet. Doch Hand aufs Herz, welcher Architekt, welcher Bauherr möchte schon mit Lego-Bausteinen bauen? Zudem ist die Kostenersparnis am Ende geringer als viele vermuten. Denn beim seriellen Bauen erspart man sich im Wesentlichen nur die individuelle Planungsleistung. Die Kostendegression, etwa bei der Herstellung der Fertigteile ist gegenüber dem Bauen in Losgröße 1 vergleichsweise gering, solange die Produktion prinzipiell auftragsbezogen erfolgt und nicht wie in der Industrie sonst üblich auch auf Lager erzeugt werden kann um die Maschinenproduktivität zu optimieren (Verringerung von Rüst- und Stehzeiten). Doch das wird solange nicht möglich sein, als die Individualität des Entwurfs ein Narrativ der planenden und bauenden Zunft bleibt. Möglicherweise hat man deshalb im Immobiliensektor zur Serienproduktion einen ganz eigenen Zugang gefunden. Denn zugespitzt formuliert, versteht man die Errichtung von zwei identischen Wohngebäuden als Zufall, bei drei spricht man bereits von Serie.

 

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