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Rauchfangkehrer kosten Österreich jährlich 1,3 Millionen Urlaubstage

Rund 2,4 Millionen Haushalte bekommen zumindest einmal im Jahr Besuch vom Rauchfangkehrer. Insbesondere für Berufstätige ist es ein lästiger Termin, müssen sich doch viele dafür extra freinehmen. Der Gegenwert der dafür in Anspruch genommenen Urlaubstage liegt jährlich bei 65 Millionen Euro.

[WIEN | 06.05.2015] Von den in Österreich rund 3,8 Millionen Privathaushalten (Hauptwohnsitze) heizen rund zwei Drittel mit Festbrennstoffen, Öl oder Gas. Da die Emissionen die dazugehörigen Rauchfänge verschmutzen können, müssen diese in regelmäßigen Abständen inspiziert und gereinigt werden. Der Kehrintervall hängt dabei von der Art des verwendeten Brennstoffes ab. Wer mit festen Brennstoffen wie Holz oder Kohle heizt, bekommt – abhängig vom Bundesland – vom Rauchfangkehrer bis zu sechs Mal jährlich Besuch. Bei Pellets-Heizungen werden die Fänge in der Regel dreimal pro Jahr, bei den meisten Ölheizungen zwei bis drei Mal jährlich kontrolliert. Wer mit Gas oder Öl-Brennwerttechnik heizt, kommt mit einem Kehrtermin pro Jahr aus.

Für mehr als die Hälfte kommen die Kehrtermine „ungelegen“
Doch unabhängig davon, wie oft der Rauchfangkehrer klingelt, Kehr-Termine sind für die meisten Haushalte ein lästiger Termin. In der repräsentativen Befragung wurde bei 495 Personen (Haushaltsreferenzperson) die Zufriedenheit mit ihrem Rauchfangkehrer erhoben. Für 54% der Befragten kommen der oder die Kehrtermine meistens „ungelegen“. Geradezu willkommen ist der Rauchfangkehrer bei Pensionisten („ungelegen“ = 18%), unter den erwerbstätigen Frauen schnallt der Wert aber auf nahezu 85 Prozent hoch. Aus gutem Grund, müssen sich doch viele dafür extra von der Arbeit frei nehmen. Denn in der Regel werden die Kehrtermine vom Rauchfangkehrer vorgegeben, die Zeitspanne, in der die Inspektion stattfinden kann, liegt gewöhnlich zwischen zwei und drei Stunden. Für Berufstätige läuft das auf zumindest einen halben Urlaubstag hinaus. Hochgerechnet werden hierzulande daher jährlich nahezu 1,3 Millionen Urlaubstage verbraucht, damit die Rauchfangkehrer ihrer Arbeit nachgehen können. Bezogen auf ein durchschnittliches Nettogehalt liegt der monetäre Gegenwert dafür bei 65 Millionen Euro.

Individuelle Terminvereinbarungen, etwa zu den Tagesrandzeiten oder am Wochenende sind kaum möglich und zudem extra kostenpflichtig. Dabei sind die Rauchfangkehrer selbst in der Preisgestaltung der regulären Tarife nicht gerade zimperlich. In der überwiegenden Anzahl der erhobenen Fälle liegen die verrechneten Kehrtarife am oberen Ende des gesetzlich erlaubten Rahmens. Wohl auch deshalb, weil man Konkurrenz nicht fürchten muss. Zwar ermöglicht der Gesetzgeber innerhalb der einzelnen Kehrbezirke Konkurrenz, doch in der Praxis greift das System nicht. Zumindest legt dies das Ergebnis von „verdeckten“ Anfragen bei 55 Wiener Rauchfangkehrern nahe. Denn sieben von zehn Rauchfangkehrern haben es aus „Kapazitätsgründen“ abgelehnt überhaupt ein Konkurrenzangebot zum bestehenden Rauchfangkehrer zu legen.

Nach wie vor kein Wettbewerb zwischen Rauchfangkehrern
„Gegenüber dem früheren Monopol hat sich offenbar nichts geändert. Was der Markt benötigt, ist deutlich mehr Wettbewerb, eine volle Liberalisierung“, so Studienautor Andreas Kreutzer. „Dass Rauchfangkehrer hoheitliche Aufgaben erfüllen, kann für die Beibehaltung des Status Quo kein Argument sein. Hoheitliche Aufgaben haben Ziviltechniker auch, trotzdem gibt es dort einen Preis- und Servicewettbewerb“, so Kreutzer weiter. In einem ersten Schritt könnten in den einschlägigen Landesgesetzen etwa die Kehrbezirke aufgelöst und die Kehrtarife durch ein vom Land durchgeführtes laufendes Preismonitoring bei allen Rauchfangkehrern ersetzt werden. Dessen Ergebnisse werden auf den Homepages der Länder veröffentlicht. So können sich Konsumenten und Hausverwaltungen laufend ein Bild über die aktuelle Preislage machen. Zudem könnten die Kehrintervalle erheblich verlängert werden, insbesondere für neue Gasbrenner und Öl-Brennwertgeräte. Deren Emissionen sind so gering, dass – aus technischer Sicht – eine Reinigung der angeschlossenen Fänge auch alle drei Jahre erfolgen könnte.

Die Folgen einer vollen Liberalisierung des Rauchfangkehrer-Marktes wären auch aus volkswirtschaftlicher Sicht begrüßenswert, ist doch davon auszugehen, dass die Skaleneffekte aus der erwarteten Anbieterkonzentration an den Konsumenten weitergegeben werden. Darüber hinaus würde mehr Wettbewerb den Konsolidierungsprozess der Branche deutlich beschleunigen, der schon vor Jahren durch alternative Heizsysteme wie Solar, Wärmepumpen, aber auch die Verdichtung der Fernwärmenetze ausgelöst wurde. Einen Stand künstlich groß am Leben zu halten, hat sich noch nie als nachhaltig erwiesen.

Studiendesign:
Repräsentative Befragung von 495 Personen (Haushaltsreferenzperson) | Mystery Shopping bei 55 Wiener Rauchfangkehrern | Auswertung der landesrechtlichen Rauchfangkehrertarife, Kehr- und Überprüfungsbestimmungen sowie einschlägiger Sekundärstatistiken, bspw. von Statistik Austria | Energie-Control Austria

Alle Angaben ohne Gewähr.

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