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Wieder mehr Schattenwirtschaft am Bau

Die Schattenwirtschaft mit Baudienstleistungen wächst in Österreich 2014 voraussichtlich um mehr als vier Prozent geg. VJ. Verantwortlich dafür ist im Wesentlichen der schwache Arbeitsmarkt, der privaten Pfusch begünstigt. Konstant ist hingegen das Volumen in der gewerblichen Schattenwirtschaft.

[09. Oktober 2014 I WIEN] Von einer kränkelnden Baukonjunktur ist bei den heimischen Pfuschern nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil, der Markt „brummt“ wie schon lange nicht. Nach vorläufigen Zahlen wächst die Schattenwirtschaft mit Baudienstleistungen heuer um +4,4 Prozent geg. VJ. Insgesamt werden alleine mit baubezogenen Dienstleistungen etwas mehr als acht Milliarden Euro ohne jede weitere Besteuerung am Fiskus und der Sozialversicherung vorbei erwirtschaftet.

Fast neun Prozent mehr „Privater Pfusch“ als 2013

Für das Wachstum verantwortlich sind dabei ausschließlich private Pfuscher. Die Erlöse aus der „Nachbarschaftshilfe“ steigen heuer im Jahresabstand voraussichtlich um +8,5% auf nahezu 4,5 Milliarden Euro.

Wachstumstreiber ist zweifelsohne der schwache Arbeitsmarkt. Mit Stichtag Ende August waren in Österreich am Bau und im Bauhandwerk mehr als 20.000 Personen arbeitslos gemeldet. Das sind um nahezu 2.750 Personen (+15,6% geg. VJ) mehr als im Jahr davor. Dabei sind die Sommermonate am Bau normalerweise „Prime time“. Viele dieser beschäftigungslosen Bauhandwerker sitzen die Arbeitslosigkeit aber nicht zu Hause ab, sondern bieten ihre Dienstleistung am Schwarzmarkt an bzw. erhöhen ihr einschlägiges Engagement. Folglich erhöht sich durch die steigende Anzahl an arbeitslosen Bauhandwerkern automatisch das Angebot an privaten Pfuschern. Und dieses Angebot wird offenbar von den privaten Haushalten wohlwollend angenommen, nicht zuletzt weil die Preise für legale Baudienstleistungen rasch wachsen. In den letzten zehn Jahren wuchs der Baupreisindex im Wohnungs- und Siedlungsbau um rund vierzig Prozent rascher als die Inflation.

Konstant ist indessen das Volumen im gewerblichen Pfusch. Der Umsatz aus „Ohne-Rechnung-Geschäften“ stagniert bei rund 3,5 Milliarden Euro.

Von der steigenden Nachfrage nach „Pfuschern“ sind alle Gewerke betroffen

Die steigende Nachfrage nach privaten Pfuschern bzw. „Ohne-Rechnung-Geschäften“ zieht sich durch alle Gewerke. Die Wachstumsraten liegen zwischen +6,1% geg. VJ für Gartenarbeiten und +3,0% geg. VJ in der Haustechnik. Insofern bleiben auch die Marktanteile der Gewerke am Pfuscher-Markt nahezu stabil. Den größten Teil des Umsatzkuchens holt sich das Bauhauptgewerbe mit 3,05 Mrd. Euro (38%). Dahinter folgen Haustechnik mit 2,05 Mrd. Euro (26%) und der Innenausbau (Boden, Wand, Decke) mit 1,85 Mrd. Euro. Deutlich kleiner sind die Segmente „Dach“ mit 600 Mio. Euro, Garten mit 350 Mio. Euro und Einrichtung mit 100 Mio. Euro.

Volkswirtschaftlicher Schaden aus Schattenwirtschaft umstritten

Der Schaden aus der Schattenwirtschaft ist nicht leicht zu beziffern. So sind etwa bei privaten Leistungserbringern in jedem Fall nur die theoretisch vorenthaltenen Sozialabgaben inkl. der darauf fälligen Mehrwertsteuer anzusetzen, nicht jedoch das verwendete Material, das gewöhnlich völlig legal im Baustoffhandel erworben wird. „Ohne-Rechnung-Geschäfte“ werden wiederum überwiegend mit legal beschäftigten Arbeitnehmern durchgeführt, wodurch der Schaden hierbei primär in der Umsatzsteuerverkürzung zu suchen ist. Über allem steht aber die zentrale Frage, wie viele Projekte, die unter den Konditionen des „Pfusch“ von Konsumenten beauftragt werden, sich tatsächlich in legale Geschäfte überführen lassen. Kurzum, welches Investitionsvolumen ginge verloren, weil zwei bis dreimal höhere Stundenlöhne als im privaten Pfusch bzw. 20% Mehrwertsteuer bezahlt werden müssten? Der tatsächliche volkswirtschaftliche Schaden der Schattenwirtschaft ist daher umstritten und pendelt - je nach Sichtweise - zwischen 0,15% und 0,90% des BIP pro Jahr. Von manchen wird unter Berücksichtigung aller wirtschafts- und sozialpolitischen Konsequenzen ein negativer Effekt auch gänzlich bestritten.

Möglicherweise deshalb sind auch die Maßnahmen der öffentlichen Hand zur Eindämmung des Pfuschs insgesamt nur halbherzig, Stichwort: Handwerkerbonus. Denn würde man ernsthaft an einer radikalen Einschränkung interessiert sein, könnte man diese - ungeachtet der gesellschaftspolitischen Konsequenzen - einfach über eine Art Kronzeugenregelung realisieren. Ähnlich wie im Wettbewerbsrecht, würde der Anzeiger einer Dienstleistung, die ohne Rechnung erbracht wurde, straffrei gehen, auch wenn er selbst Nutznießer des Geschäftes ist. Nach der Logik des „Gefangenendilemmas“ wäre daher in „Pfusch-Geschäften“ keiner der beiden Geschäftspartner mehr sicher, ob nicht der andere das Geschäft zur Anzeige bringt. Der Markt würde zu weiten Teilen rasch austrocknen. Gewinner und Verlierer einer solchen Reform wären dabei aber höchst ungleich verteilt.

Tabelle:Umsatzentwicklung nach Leistungserbringer

Angaben zur Studie: KREUTZER FISCHER & PARTNER errechnet seit 2003 jährlich die Volumina der Schattenwirtschaft im Sektor Bauen & Wohnen. Dazu zählen wir Dienstleistungen des Bauhaupt- und Baunebengewerbes, Investitionen in Gartenerrichtung und -gestaltung sowie in Einrichtung. Im Gegensatz zu anderen einschlägigen Berechnungen leiten sich die Ergebnisse nicht aus volkswirtschaftlichen Kenngrößen ab, sondern sind das Resultat von Primärerhebungen im Rahmen der Markt- und Wettbewerbsanalysen BRANCHENRADAR. Aktuell werden jährlich mehr als 100 Produktmärkte im Sektor Bauen & Wohnen analysiert.

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