erkennen was märkte treibt

 

Scheingefechte um Mietpreisbremse

Regierung und Opposition verhandeln über neue Regeln für die Mietpreisindexierung. Die Wertsicherung sollte an Bedingungen geknüpft werden.

[Wien | 16.02.2023] Steigende Wohnungsmieten stehen aktuell wieder im Mittelpunkt der politischen Debatte. Und das aus gutem Grund: Der durchschnittliche Mietzins wuchs 2022 im Jahresabstand um 8,9 Prozent. Das war die stärkste Erhöhung seit mehr als dreißig Jahren. Die rechtliche Basis dafür sind Wertsicherungsklauseln, die in nahezu allen Mietverträgen zu finden sind. Bei freien Mietverträgen orientiert sich die Wertsicherung gewöhnlich am Verbraucherpreisindex (Inflation). Richtwert- und Kategoriemieten werden von staatlicher Seite festgesetzt. In beiden Fällen wurde im letzten Jahr auch die coranabedingte Aussetzung in den Jahren 2020 und 2021 eingepreist, wodurch Kategoriemieten sogar dreimal angehoben wurden. Alles in allem erhöhten sich die Wohnungsmieten damit in den beiden letzten Jahren insgesamt um 14 Prozent und zwischen 2017 und 2022 um durchschnittlich 4,8 Prozent pro Jahr. Und im April des heurigen Jahres droht – nach aktueller Rechtslage – Richtwertmieten nochmal eine saftige Erhöhung um mehr als acht Prozent gegenüber Vorjahr. Freie Mietverträge werden im laufenden Jahr – synchron mit der Inflation – voraussichtlich um rund sieben Prozent steigen.

Arbeiterkammer und Teile der Opposition fordern deshalb eine Mietpreisbremse. Wie eine solche umgesetzt werden soll, wird aktuell mit der Regierung verhandelt. Zur Diskussion steht unter anderem eine Deckelung der Inflationsabgeltung, aber auch die Schaffung eines völlig neuen Index der zur Wertanpassung der Wohnungsmieten herangezogen werden soll. Fraglich ist auch, ob sich mögliche Änderungen nur auf Kategorie- und Richtwertmieten beziehen oder auch auf freie Mietverträge.

Ungeachtet dessen auf welche neue Regelung man sich einigt, sind die Verhandlungen im Wesentlichen doch nur ein Scheingefecht. Denn die in Österreich praktizierte Wertsicherung von Mietverträgen ist prinzipiell eine grobe Fehlkonstruktion zu Lasten der Mieter. Denn durch die Anhebung der Miete – etwa im Ausmaß der Inflationsrate – wird zwar die Miete an die Kaufkraft zum Bezugszeitpunkt der Wohnung angepasst, nicht aber der Zustand der Wohnung. Der Mieter zahlt daher im Zeitverlauf immer mehr, obgleich die Wohnqualität durch die Abnutzung der Wohnung sinkt. Man könnte also sagen, dass Mietwohnungen im gebrauchten Zustand – inflationsgesichert – genauso viel kosten wie neu.

In Österreich und in Deutschland leben etwas mehr als die Hälfte aller Haushalte in Miete, in der Schweiz sogar zwei Drittel. In den beiden Nachbarländern ist eine Mietindexierung wie in Österreich allerdings unbekannt, weshalb dort zwischen 2017 und 2022 die Nettokaltmieten im Schnitt pro Jahr auch nur um 1,5 Prozent (Deutschland) beziehungsweise 0,9 Prozent (Schweiz) stiegen. In Österreich waren es – wie bereits ausgeführt – 4,8 Prozent. Es ist daher überlegenswert, die Indexierung von Mieten gesetzlich auszusetzen und eine Mietzinserhöhung nur dann zu gestatten, wenn auch die Wohnung wieder auf den Zustand zum Bezugszeitpunkt gebracht wird. Die Wohnbaugesellschaften könnten es sich durchaus leisten. Im Jahresdurchschnitt der letzten 20 Jahre lag das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) eines in Österreich ansässigen Unternehmens bei rund sechs Prozent vom Umsatz. Dem Grundstücks- und Wohnungswesen blieben im Schnitt sagenhafte 24,1 Prozent von den Einnahmen als Unternehmensgewinn. Kein anderer Wirtschaftszweig war profitabler.


Artikel als pdf download