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Der Sieg des Sisyphos

Der Ausstieg aus dem landesrechtlich geregelten Automaten-Glücksspiel hat für Wien in jedem Fall schwerwiegende finanzielle Folgen. Aber auch die politischen Ziele dürften verfehlt werden, ergibt eine aktuelle Analyse von KREUTZER FISCHER & PARTNER Consulting.

[09.01.2015 [Wien] Der Konflikt zwischen der Stadt Wien und den Automatenbetreibern geht in die nächste Runde. Zwar haben die meisten Glücksspielanbieter dem Verbot vorgebeugt und ihre Geräte abgestellt, nichtsdestotrotz bleiben die juristischen Anfechtungen gegen das Automatenverbot aufrecht, zumal die meisten über Genehmigungen verfügen, deren bescheidmäßige Auflauffrist über 2014 hinaus geht. Unterstützung erhalten sie von dabei von namhaften Verfassungsexperten.

In jedem Fall verliert die Stadt mit dem „Automatenverbot“ viel Geld. Für 2014 werden Einnahmen aus dem „Kleinen Glücksspiel“ von rund 40 Millionen Euro erwartet. Das ist weit mehr, als die zwei zusätzlichen Casino-Lizenzen künftig einspielen werden. Aus dem Aliquotanteil aus der Spielbankenabgabe lukriert die Stadt pro Standort lediglich rund 3,5 Millionen Euro. Noch teurer könnte es kommen, wenn die Betreiber - wie angekündigt - mit ihrer Beschwerde bis zum Höchstgericht gehen und dort gewinnen. Dann drohen der Stadt Schadensersatzklagen mit einem Streitwert von bis zu 100 Millionen Euro.

Nach finanziellem Flop droht ein politisches Desaster
Dabei hat es die Politik mit dem Verzicht auf eine Landesausspielung im Prinzip nur gut gemeint. Mit dem Ausstieg aus dem auf landesrechtlicher Basis geregelten Automaten-Glücksspiel verfolgt die Wiener Landesregierung im Wesentlichen drei Ziele: Erstens, den kompletten Rückbau des Angebots an einschlägigen Lokalen. Zweitens, die Reduktion des Spielvolumens und drittens, die Eindämmung der Gefahr von Spielsucht. Doch „gut gemeint“ ist nicht immer „gut“. Hätte man sich im Vorfeld genauer mit der lokalen Marktsituation und den systemrelevanten Faktoren des Glücksspiels beschäftigt, wäre wohl eine andere Entscheidung gefallen, als ein "Automatenverbot“. So droht nun nach einem finanziellen Flop auch noch ein politisches Desaster. Denn die Zweifel sind groß, auch nur eines der Ziele annähernd zu erreichen.

Das „wahrgenommene Angebot“ an einschlägigen Lokalen wird sich kaum ändern
Bis Ende des Jahres wurde in Wien an 505 Standorten auf rund 2.600 Glücksspiel-Automaten gespielt. Sieht man von der Sonderzone ab (Prater bzw. Böhmischer Prater), wurden die meisten der Slot-Maschinen in Lokalen für Sportwetten und in der Gastronomie betrieben. Lediglich 69 der insgesamt 505 Standorte (14%) mit Glücksspiel-Automaten waren reine Spiellokale. Und nur diesen wird durch das „Automatenverbot“ die existenzielle Basis entzogen. Alle anderen Betriebe können mittelfristig auch ohne Glücksspiel-Automaten weitermachen. Und da die Lokale nicht schließen, bleibt auch das typische Publikum vor Ort. Folglich wird sich für die Bevölkerung auch das „wahrgenommene Angebot“ an einschlägigen Lokalen kaum ändern. Darüber hinaus können die Lokalbesitzer und Automatenbetreiber statt Glücksspiel-Automaten - völlig legal - Wettautomaten aufstellen oder Glücksspiel-Automaten, die in technischer Hinsicht nicht den Bestimmungen der Landesausspielung entsprechen, etwa Video-Lotterie-Terminals oder Glücksspiel-Automaten mit einem Spieleinsatz von mehr als zehn Euro pro Spiel. Die rechtliche Beurteilung dieses „Grauen Marktes“ ist auch höchstgerichtlich nach wie vor umstritten.

Massive Abflüsse von Spieleinsätzen in den „Grauen Markt“ sind zu befürchten
Auch das Spielvolumen wird sich insgesamt betrachtet kaum verringern. Wie zahlreiche empirische Studien nachweisen, ist bei einem völligen Verzicht auf Glücksspiel-Automaten außerhalb von Kasinos mit massiven Verschiebungen in andere Glücksspielsegmente zu rechnen, allen voran in den „Grauen Markt“, ins Online-Gaming und zu Sportwetten. Auch die Automatencasinos rund um die Bundeshauptstadt werden zahlreiche "Exil-Spieler" aufnehmen. Die zu erwartenden Zuwächse im Casino Wien werden indessen überschaubar ausfallen. Der typische Automaten-Spieler in Wien zählt eher zur unteren bis mittleren Einkommensschicht, knapp die Hälfte hat einen Migrationshintergrund. Ein niederschwelliges Angebot, wie das „Kleine Glücksspiel“ kann nur in geringem Ausmaß durch ein hochschwelliges Angebot, wie ein klassisches Kasino substituiert werden. „Es ist schon absurd zu glauben, dass der Arbeiter aus der Vorstadt plötzlich ein Kasino im ersten Wiener Gemeindebezirk besucht“, so Studienautor Andreas Kreutzer von KREUTZER FISCHER & PARTNER.

Suchtexperten sprechen sich geschlossen gegen ein „Totalverbot“ aus
Im Übrigen sprechen sich auch die führenden Suchtexperten geschlossen gegen ein gänzliches Verbot eines niederschwelligen Angebots an Glücksspiel-Automaten aus. Vielmehr fordert man eine Kanalisierung des Angebots und ein möglichst lückenloses Monitoring der Spieler. Und dafür bietet das novellierte Glücksspielgesetz durchaus die rechtliche Basis. So wird es einem Bundesland freigestellt, die Anzahl der Automaten zu limitieren und auf einige wenige Standorte zu konzentrieren, damit der Spielerschutz besser überwacht werden kann. Auch besteht die Möglichkeit, den maximalen Spieleinsatz zu begrenzen und nur eine einzige Lizenz zu erteilen, damit eine eventuelle Spielersperre an allen Standorten greift. Meinten es die politischen Verantwortlichen mit den selbst gesteckten Zielen ernst und würden sie sich weniger mit Dogmen, denn mit Fakten beschäftigen, wäre Wien ein finanzieller und politischer Schaden wohl erspart geblieben. „Aber es ist schon verblüffend, wie weit weg so manche Politiker von der Realität der Menschen und ihren Problemen agieren“, so Andreas Kreutzer abschließend.

Quellen: „Automaten-Großzählung 2014“, KREUTZER FISCHER & PARTNER Consulting GmbH | BRANCHENRADAR Glücksspiel & Sportwetten in Österreich 2014 | „Der K(r)ampf der Politik mit dem Glücksspiel, KREUTZER FISCHER & PARTNER Consulting GmbH, 2012 | „Ansätze für eine Neuordnung des Automaten-Glücksspiels in Wien“, KREUTZER FISCHER & PARTNER Consulting GmbH, 2013.

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