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Freigabe des Apotheken-Marktes spart im Gesundheitssystem 180 Millionen Euro jährlich.

Das österreichische Gesundheitssystem benötigte zuletzt mehr als 33 Milliarden Euro. Einsparungspotentiale gibt es nicht nur bei den Krankenanstalten sondern auch bei Apotheken, zeigt eine aktuelle Studie von KREUTZER FISCHER & PARTNER (KFP).

[07.10.2015 | Wien] Das österreichische Gesundheitssystem benötigte im Jahr 2014 insgesamt mehr als 33 Milliarden Euro. Rund 25 Milliarden Euro wurden von den Sozialversicherungen aufgebracht, knapp acht Milliarden kamen aus dem Geldbörsel der Privaten Haushalte. Seit dem Jahr 2000 sind die Gesundheitsausgaben um mehr als 50 Prozent gestiegen. Über Einsparungspotentiale wird deshalb seit Jahren diskutiert, manches wurde auch umgesetzt. Nichtsdestotrotz besteht weiterhin Handlungsbedarf. Weitgehend ungeschoren kamen bisher die öffentlichen Apotheken davon, dabei gibt es speziell hier noch einiges zu heben. Nicht zuletzt, weil der Markt, vor allem im ländlichen Raum, nach wie vor weitgehend vor zu starker Konkurrenz abgeschottet ist. Der einzelnen Apotheke wird über das Instrument der Bedarfsprüfung ein bestimmtes Versorgungsgebiet - in Abhängigkeit von der Bevölkerungsdichte - quasi zugewiesen. Neben den Rauchfangkehrern zählen Apotheken daher zu den ganz wenigen „geschützten Branchen“ in Österreich. Dementsprechend üppig sind auch nach wie vor die Erträge.

Im Durchschnitt wirft eine Apotheke jährlich 220.000 Euro ab
Im Jahr 2014 gab es in Österreich 1.328 Apotheken, 28 davon hatten einen Filialbetrieb. Apotheken-Ketten sind in Österreich bekanntlich verboten. Insgesamt setzten die öffentlichen Apotheken zuletzt rund 3,6 Milliarden Euro um. Der Durchschnittsumsatz pro Apotheke lag bei mehr als 2,7 Millionen Euro und stieg in den letzten fünf Jahren jährlich um 2,4 Prozent, also rascher als das Bruttoinlandsprodukt. Der Gewinn einer Apotheke betrug im Mittel vor Steuer knapp 220.000 Euro. Das entspricht einer Umsatzrendite von acht Prozent. Im Lebensmittelhandel werden rund drei Prozent verdient. „Apotheker gehören hierzulande nicht zu den Ärmsten im Land“, so Andreas Kreutzer von KREUTZER FISCHER & PARTNER.

Zur Berechnung von unausgeschöpften Einsparungspotentialen wurde von KFP die Wertschöpfungskette „Gesundheit“ zerlegt und neu zusammen gesetzt. Im neuen Ansatz werden Apotheken nicht mehr als eigenständige Einheit des Gesundheitssystems verstanden, sondern als integriertes Wertschöpfungssegment der ärztlichen Dienstleistung. Denn in der Praxis ist es der Arzt der die Medikamente verschreibt, die von der Apotheke in den überwiegenden Fällen lediglich ausgegeben werden. Schon jetzt gibt es österreichweit rund 870 ärztliche Hausapotheken, die vor allem im ländlichen Raum die Versorgung der Patienten mit Medikamenten sichern. Ein Ausbau dieser Schiene wäre sowohl aus versorgungstechnischer, wie gesundheits-ökonomischer Sicht sinnvoll. Insofern ist es wohl nur vor dem Hintergrund von Standesdünkel erklärbar, warum Apotheken nicht in das neue Konzept der Primärversorgungszentren eingegliedert wurden, sehr wohl aber etwa Sozialarbeiter und Krankenpfleger. Dabei brächten speziell „Arzt-Apotheken“ für die Patienten enorme Vorteile, müssten diese doch für die Beschaffung der Medikamente nicht einen extra Weg auf sich nehmen.

Ziel: Apotheken in den Wirkungsbereich der niedergelassenen Ärzte rückintegrieren
Gelänge es etwa die Hälfte aller öffentlichen Apotheken in den Wirkungsbereich der niedergelassenen Ärzte rückzuintegrieren, würde das Gesundheitssystem jährlich um gut 180 Millionen Euro entlastet. Der Betrag summiert sich im Wesentlichen aus zwei Positionen. Zum einen aus einer Sozialisierung der Apotheken-Gewinne, da der niedergelassene Arzt nicht die volle Gewinnmarge des Apothekers benötigt. Bei einer Reduktion der Nettowertschöpfungsquote um die Hälfte resultieren jährlich knapp 80 Millionen Euro Ersparnis. Zum anderen können Synergieeffekte im Personal- und Sachaufwand gehoben werden, was sich mit weiteren 100 Millionen Euro zu Buche schlägt.

Dass es bei einem solchen Systemwechsel hinsichtlich der Medikamentenberatung zu Qualitätseinbußen kommt ist unwahrscheinlich. Schon jetzt stehen den rund 1.430 selbständigen Apothekern fast drei Mal so viele unselbständig beschäftigte Pharmazeuten gegenüber. Dazu kommen noch weitere 5.350 Pharmazeutisch-kaufmännische Assistentinnen (PKA). „Der Job in den öffentlichen Apotheken wird also bereits heute zum überwiegenden Teil von angestellten Mitarbeitern erledigt, die genauso gut in einer „Arzt-Apotheke“ arbeiten können“, stellt Andreas Kreutzer trocken fest.

Mehr Convenience für Patienten durch längere Öffnungszeiten und fixe Nachtapotheken
Um die Einsparungspotentiale zu heben müssten allerdings die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen geändert werden, Stichwort „Liberalisierung“. Im Fokus sollte dabei die Convenience für den Patienten liegen und nicht die finanzielle Absicherung der weniger als 1.500 Apothekern. Neben der Abschaffung der Bedarfsprüfung und der Aufhebung des Verbots für Apotheken-Ketten sollten die Öffnungszeiten von Apotheken jenen des Einzelhandels angepasst werden, bspw. Wochentags bis 20:00 Uhr und Samstags bis 18:00 Uhr. Darüber hinaus könnte der Verkauf von rezeptfreien Medikamenten (OTC) auch für den Drogeriehandel freigegeben werden. Denn es widerspricht jeglicher Logik, dass etwa Vitamin C-Produkte in den USA in Selbstbedienung erhältlich sind, während bei uns der Verkauf den Apotheken vorbehalten ist, wo einschlägige Produkte in den überwiegenden Fällen ohne Beratung und Abklärung von möglichen Nebenwirkungen über den Ladentisch gehen. Und auch die 24/7-Versorgung kann man patientenfreundlicher gestalten. Statt dem bestehenden rollierenden System, das den Patienten im Kreis schickt, könnten fixe „Nachtapotheken“ eingerichtet werden.

 

Studiendesign:
Die Studie wurde von KREUTZER FISCHER & PARTNER im Rahmen des firmeninternen „Pro Bono-Programms“ erstellt.

Als Datenquellen dienten öffentlich zugängliche Sekundärstatistiken, u.a. von Statistik Austria oder der Österreichischen Apothekerkammer, die durch eigene Erhebungen und Berechnungen ergänzt wurden.

Alle Angaben ohne Gewähr.

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